Donnerstag, 7. März 2013

Bajawa - eine abgedrehte Zeremonie

Bajawa - Freitag, 14. Dezember 2012


So, jetzt ist es aber mal Zeit Flores zu erkunden. Morgens um sechs steige ich in einen abgeranzten Bus und fahre nach Bajawa. Noch in Labuan Bajo treffe ich auf Manuel, der auch nach Bajawa will. Wir kommen ins Gespräch, er ist Touri-Guide in Labuan Bajo und fährt mal wieder zu seiner Familie.

Wir labern die ganze Zeit und er erzählt mir, was es alles zu gucken gibt. Vulkane, traditionelle Dörfer, spinnennetzartig angelegte Reisfelder, Wanderungen usw. Ziemlich viel zu sehen hier.


Flores - geil!

on the road

Manuel ist eingepennt

so baut man Brücken!

Nach ewiger Busfahrt-Schaukelei und kurz vor Bajawa heißt es dann: Umsteigen! Ich vergesse meine Wasserflasche im Bus und jemand bringt sie mir hinterher. Als der Bus davonrast, merke ich, dass ich noch was vergessen habe. Meine Kamera! Aaaaahhhh!

Manuel schafft es mich zu beruhigen und sagt: "Die fahren nur zur Tanke, da fährt unser Bemo auch hin." Ich warte hibbelig, aber es klappt mal wieder alles wie am Schnürchen. Hier kann echt nix passieren. Die Jungs im Bemo heizen wie die Irren.


Abends steige ich im Bintang Wisata ab. Da kommt auch der lachende Hahn aus dem letzten Blogeintrag her.

Ich versuche noch irgendwie Geld aufzutreiben und schaue mir ungewollt die eher trashige Stadt an. Geldautomaten sind zwar reichlich vorhanden, aber erst der fünfte will mir auch was geben. Außerdem brauche ich noch 'ne Hose und zwar 'ne lange. Sowas hatte ich schon lange nicht mehr an undn hier ist es ziemlich kalt. Auf dem Markt werde ich schnell fündig. Im Schuhladen nebenan läuft Sisi Selatan - Death Metal aus Wonogiri in Java. Da lacht das Herz.

Am nächsten Morgen ruft Manuel an. "In meinem Dorf ist ein Zeremonie! Das musst du dir angucken. Die findet das erste Mal seit 40 Jahren statt!" Ich hatte mir schon ein Moped für den Tag gemietet - ach egal, wenn du was erleben willst, dann scheiß auf die Mopedmiete, denke ich mir.

Erstmal kriege ich einen schweren Ikat-Sarong verpasst. Manuels Schwager knotet ihn tierisch fest zu, so dass mir fast die Luft wegbleibt. Dann kommt seine Frau und begutachtet das Werk: "Mann, der ist doch falschrum!" Also nochmal. Röchel.

In der Dorfgemeinschaft wird eine neue Wasserversorgung eingeweiht. Mit Tanz und Musik geht es los und ich fühle mich sofort willkommen. Ich darf überall filmen und fotografieren und bin auch ständig von den 30 bis 40 jährigen umlagert, die es richtig cool finden, dass ein Touri dabei ist. Auch die Alten freuen sich. Eigentlich jeder. Und ich finde es natürlich auch richtig cool, dass ich dabei bin. Einer zeigt mir stolz sein Zimmer im Elternhaus: nur ein Bett, sonst nix. Und ein paar Poster an der Wand: Avril Lavigne, Filmposter und so. Der Kerl ist mindestens 35 und sein Zimmer sieht aus wie von einem 14-jährigen. Nur fast ohne alles.

sie muss einfach immer tanzen

Die Frauen kauen alle irgendwelche Blätter mit einem weißen Pulver und spucken dann den roten Saft überall hin. Von dem Zeug bekommen sie schwarze Zähne und das finden die auch noch gut! Es sieht echt übel aus, so wie 1000 Jahre ohne Zahnarzt. Langsam merke ich, dass es ein ziemlich verrückter Tag werden könnte.

In je einem "Haus im Haus" leben die Geister der Ahnen der Stämme, die hier in der Dorfgemeinschaft zusammenleben. Ein Feuerchen brennt Tag und Nacht und jeweils eine der Frauen wohnt dort. Ich setze mich auf eine Holzkiste und lasse alles auf mich wirken. Die Frauen unterhalten sich und grinsen und nicken offen und freundlich. Ich bin hier kein Invader. Sie kauen die Blätter und das Pulver und spucken in einen kleinen Holzbottich. Sie sprechen kein Wort deutsch. Und kein Wort englisch. Das was sie sprechen ist Bajawa. Ich verstehe nix außer ein paar Brocken, die wohl indonesisch sind. Manuel kommt rein und erzählt vom Vorfahren im inneren Haus. "Und in der Holzkiste auf der du sitzt, sind ein paar Habseligkeiten von ihm drin. Aber bleib ruhig sitzen, kein Problem."

Sitzenbleiben? Das kann ich. Hab ich zwar nicht in der Schule gelernt, aber im Büro. Solange man den Leuten nicht am Kopf rumfummelt oder ihnen die Fußsohlen ins Gesicht entgegenstreckt, macht man alles richtig hier. Als alter Indonesier weiß ich das ja.

im "Haus im Haus"
Wir holen noch den Besitzer der Quelle, seinen Bruder und ein paar andere Leute ab und dann geht es erst richtig los. Tanzen, Musik und Palaver. Der Besitzer der Quelle ist ein alter Knacker, fit und tierisch lustig.

auf der Ladefläche

gebrannte Erdnüsse als Snack

schwarze Zähne - ein Statussymbol
Beim offiziellen Teil wird dann ein Schwein geschlachtet. Sowas heftiges habe ich noch nicht gesehen. Die Leichenverbrennungen in Varanasi und auf Bali waren echt Krabbelgruppe dagegen.

Das Schwein schreit wie am Spieß - ganz klar Panik. Mit einem Schwert wird ihm der Kopf aufgespalten und der Schädel dann mit einem Stück Bambus auseinandergedrückt. Das Blut und das Gehirn läuft in eine Schüssel. Damit alles rauskommt, wird kräftig nachgeholfen: Mit Händen, mit Stöcken. Dem Schwein hängt die Zunge quer aus der Schnauze, aber es zuckt noch die ganze Zeit. Ultrabrutal, barbarisch.

Dann wird das arme Vieh über Bambusshölzern mit Benzin oder Spiritus übergossen und angezündet, damit die Haare abbrennen. Der Kopf wird abgeschnitten und gekocht, die Gedärme ausgequetscht und das Fleisch in kleine Würfel gehackt.

Zum Schwein gibt es dann reichlich Moke (Palmsaft mit 5%) und Bintang-Bier. Beides lecker. Das Schwein ist ok, zumindest das Fleisch. Die Haut und die Fettschicht kriege ich nicht runter. Es gnatscht voll eklig. Dazu noch reichlich Reis und Gemüse. Keiner schafft es das alles aufzuessen. Das ist auch gar nicht so gewollt, das sind alles nur Gesten. Geben, nehmen. Der übriggebliebene Reis wird danach einfach wieder getrocknet und kann dann wieder normal gekocht werden.

Abends geht das ganze in eine Party über. Mit Disko und Moke bis tief in die Nacht. Der Quellenbesitzer adoptiert mich fast, aber vorher muss ich noch mit ihm Cha-Cha-Cha tanzen. Es war wirklich abgefahren und hat riesig Spaß gemacht, auch wenn die ganze Aktion über 15 Stunden gedauert hat.

Hier noch als Video. Eins ist so kurz wie möglich mit schnellen Schnitten und wenig Worten - für die Buntklicker ohne Geduld. Die lange Version ist etwas ausführlicher. See me dance the Jai-Dance!



Short Version for the impatient - haltet durch!



Special Extended Edition



Am nächsten Tag miete ich dann das Moped einfach nochmal und brettere so in der Gegend rum. Einen Vulkan rauf und in die traditionellen Dörfer am Gunung Inerie.

Landschaft oben am Vulkan

Nebelgespenster

wie aus Kuhscheiße wieder was Essbares wird

der kam so vorbei und musste mit auf's Bild

normalerweise grinsen die alle immer

Gunung Inerie

Ich fahre so auf der Straße lang und plötzlich, zwischen einem riesigen Bambusstrauch und ein paar Bäumen taucht dieses archaische Dorf auf! So müssen sich die Entdecker gefühlt haben, als sie durch den Urwald gestolpert sind, auf der Suche nach den letzten Originalen. Das Dorf heißt Bena. Es ist aufgebaut wie auch Manuels Dorf. Aber hier ist alles auf original getrimmt. Rischtisch geil.


da biegt man um eine Urwaldecke und dann sowas!

deine Zukunft kenne ich

Bena, Gasse

ob der Karren noch fährt?

Bena

Steine stehen für Ahnen

Tücher und Hörner


da fehlen noch 5 andere

Auf dem Rückweg und Richtung zweites Dorf fängt es tierisch an zu regnen. Im festen Glauben an das Gute in der Welt habe ich keinerlei Regenzeug eingepackt. Nur eine Plastiktüte in die ich meinen Rücksack stopfe. Am Straßenrand stehend, mit einem abgerissen, riesigen Bananenblatt überm Kopf, versuche ich das schlimmste abzuwehren, aber es hilft nix. Der Regen zerreißt das Blatt einfach nach und nach. Und kalt ist er auch noch. Mist! Weiter! Was anderes bleibt mir nicht übrig. Und es donnert und blitzt auch noch wie verrückt. Als es genau über mir extrem laut kracht, erschrecke ich mich tierisch und verreiße fast das Moped. Es hat sich echt angehört, als wenn der Himmel über mir in Stücke zerfetzt wurde. Raaaaaaaatsch! Meine Herren!

Eigentlich wollte ich ja noch das zweite Dorf aufsuchen - mit Megalithen, aber der Regen ist einfach zu heftig und zu kalt. Auf halber, überfluteter Schotterstrecke drücke ich den Not-Aus-Knopf und fahre nach Bajawa zurück. Im Wisata frage ich, ob sie einen Wäschetrockner haben oder jemanden kennen, der einen kennt. "Wäschetrockner? Sowas gibt's hier nicht. Wir warten einfach ab." Die Klamotten brauchen den ganzen nächsten Tag, um wieder trocken zu werden.







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